L‘Europe au coeur.
Was zwischen der Krone – Schlagzeile “Valerie singt für Merkel und Sarkozy” und der Songzeile “Valerie‘s back in jail again” liegt, warum Frankreich nicht nur “Emily in Paris” ist und ich eine “Fille du Larzac” bin.
Ein kleiner Reisebericht zu unseren Auftritten im Rahmen der “Quinzaine franco-allemande” im November 2022, in Berlin, Heidelberg und Leipzig.
Im Jahr 2009 titelte die österreichische Kronenzeitung: “Valerie singt vor Merkel und Sarkozy”. Tatsächlich wurde ich damals von einer Eventagentur engagiert, mein deutsch-französisches Repertoire für den Empfang Sarkozys im deutschen Bundeskanzleramt zu spielen. Die Vorbereitungen ware schon weit gediehen, als aus dem Kanzleramt die Nachfrage kam, welche Nationalität ich eigentlich hätte. Auf meine Antwort, ich sei Österreicherin, wurde ich schnöde wieder ausgeladen. Es kämen nur deutsche Künstler in Frage. Dass meine Großmutter mütterlicherseits eine Deutsche war, kam mir nicht in den Sinn und wäre eh wurscht gewesen. Letzten Endes wurde das ganze Event sowieso wegen Terminproblemen von Sarkozy wieder abgesagt.
13 Jahre später finde ich mich in der französischen Botschaft in Berlin wieder und spiele für die deutsch-französische Freundschaft, die Quinzaine franco-allemande, meine Lieder unter der Überschrift “Europa im Herzen”.
„Entsandt“ wurde ich von der Region Okzitanien, gewissermaßen als okzitanische Künstlerin, zusammen mit dem französischen Pianisten Cédric Chauveau, mit dem ich seit sieben Jahren ein Duo bilde. Welch Ironie des Schicksals. Wie kam es dazu?
Als ich 2018 mein Programm mit einer Mischung aus eigenen französischen und deutschen Chansons in der Maison de Heidelberg in Montpellier spielte, war ein ganz besonderer Herr anwesend, Richard Jarry, den mein Lied “Les Nuits Blanches” an diesem Konzertabend sehr berührt hat und dem die Idee kam, wir könnten doch mit unserem Repertoire zweisprachig bei der Quinzaine franco-allemande auftreten. Das geschah erstmals im Herbst 2021 in Form eines tollen Auftrittes in der Domaine d‘O in Montpellier, wo wir auch unsergerade frisch erschienenes Album “Funambule” vorstellen konnten.
Diesen Herbst waren wir gleich in Form einer kleinen Konzertreihe in Deutschland unterwegs, in der französischen Botschaft in Berlin, in der im Kupfersaal in Leipzig und in der Maison de Montpellier in Heidelberg. Ja richtig, es gibt eine Maison de Heidelberg in Montpellier und eine Maison de Montpellier in Heidelberg. Heidelberg und Montpellier sind Partnerstädte, beide Städte haben geschichtlich sehr viele Parallelen, aber das würde hier jetzt zu weit führen.
Es war eine Reise voller wunderbarer Begegnungen und Wiederbegegnungen.
Unsere Programmauswahl für diesen Anlass hat sich dabei auf natürliche Weise gefügt.
Gerade hatte meine Freundin Arezu Weitholz ihr Buch “20 Jahre Mensch” zum 20jährigen Jubiläum von Herbert Grönemeyers gleichnamigen Album herausgebracht, an dessen Entstehung sie beteiligt war, ein wunderbares Buch, nachdem sie kurz zuvor den Hans Fallada – Literaturpreis für ihren Roman “Beinahe Alaska” gewonnen hatte.
Ebenfalls zum 20jährigen Jubiläum hat die großartige französische Künstlerin Camille vom Lied “Mensch” eine französische Version kreiert: “Humaine”. Der Text mit seiner Grundaufforderung zur Menschlichkeit war uns ein Auftrag, unsere eigene musikalische Version zu machen.
“Humaine, humaine, quand c‘est inhumain, c‘est une chaine humaine, qui me tend la main, à la fin, l‘infini reste. “
Mein Freund Sebastian Krumbiegel, der uns dankenswerterweise den Draht zu dem schönen Kupfersaal in Leipzig gelegt hat, bat mich, sein Lied “Die Demokratie ist weiblich” zu interpretieren. Ich machte mich kurzerhand daran, eine französische Version zu schreiben. Weil er mit seiner eigenen Band, den “Prinzen”, auf Promotour war, konnte er leider bei unserem Auftritt nicht dabei sein.,
Im Programm war auch mein Lied “Le Sorbier” – die Eberesche – und nach dem Konzert in Leipzig kam eine Ukrainerin mit Tränen in den Augen auf mich zu und bedankte sich dafür. “Le Sorbier”- inspiriert von einem Gedicht der russischen Dichterin Marina Zwetajewa, ist ein Plädoyer für die Meinungsfreiheit. Es handelt von den Erinnerungen an meine Kindheit in Moskau während des kommunistischen Regimes, der Bedeutung der Redefreiheit und dem Bewahrens des inneren Feuers, das für die Unabhängigkeit brennen muss.
Eine Dame aus Magdeburg die vor gar nicht allzu langem noch im Körper eines Mannes steckte, dankte mir aus ganzem Herzen, denn das Demokratie-Lied, das stünde für sie. Ohne Demokratie gäbe es nicht diese Freiheit, SIE sein zu können. Leipzig, die Nikolaikirche, das Demokratiebestreben; an jeder Ecke spürt man den Kampf dafür und das neu aufgekeimte Misstrauen.
Für Gesprächsstoff sorgte auch mein Lied “La Vallée du Larzac”. Der Larzac steht für mich für die Unbeugsamkeit, für die Antikonsumgesellschaft und für die Pazifisten. Ich soll den José Bové grüßen lassen, sagte mir ein junggebliebener Herr in Heidelberg. José Bové war einer der Anführer dieser gewaltlosen Widerstandsbewegung. Die ersten Hippie-Kommunen in den 60ern entstanden auf diesem Hochplateau, von dem ich nicht weit weg wohne. Als dort damals eine Militärstation erweitert werden sollte, sind die Bauern mit ihren Schafen bis hinauf nach Paris zum Triumphbogen gezogen, um das Projekt – erfolgreich – zu verhindern.
In Heidelberg war der Saal mehr als voll, die französischsprachige Community ist dort sehr präsent, schon allein durch die vielen Aktivitäten der Maison de Montpellier.
Viele Damen und Herren der Generation meiner Eltern leben noch immer diesen französischen Traum, voller Nostalgie, Savoir vivre, die Kultur, das leben und leben lassen. Und die meisten kennen auch die großen Künstler, Piaf, Brassens, Barbara, Trenet, Aznavour …
Und die Jungen, fragte ich mich? Wo sind sie? Ist für sie Frankreich nur noch ein Klischee aus Wein und Mode wie in der Netflix-Serie “Emily in Paris”? Gehöre ich auch schon zum alten Eisen?
Am besten war die Taxifahrt nach dem Auftritt in der Botschaft. Ein echter Berliner aus Köpenick.
Eineinhalb Jahre vor dem Mauerfall Ausreiseantrag gestellt. Am Tag des Mauerfalls Wiedersehen mit der ganzen Familie am Brandenburger Tor. “Warum die deutschen Kommunisten, die ja jesehen haben, wie schrecklich das in der Sowjetunion ist, dit Janze dann hier aufjezogen haben, dit versteh ick bis heute nicht. Weil nicht alle beim Mauerfall da sein konnten hab ick meene Familie drüben besuchen wollen aber der Grenzübergang war so voll, da bin ick dann über die Mauer geklettert. Quasi von Westen in den Osten. Mal andersrum.”
Danke an meinen Vater der per Zug extra angereist ist, um mich in Berlin in der Botschaft zu besuchen, die Schwiegereltern, die Freunde und tollen Musiker und Texter Arezu, Maya, Christian, Richard, und Tante Astrid. Merci an Fanny und Richard, an Karla und Catherine. Und besonders an Cedric, der ein wunderbarer musikalischer wie Reisebegleiter war.
Einen Tag nach Rückkehr der Reise bekomme ich die Nachricht, dass das neueste Saint-Privat-Lied “Boom Boom Click”, eine Hommage an die Chansonnière Claudine Longet, die ihren Lover erschoss und dafür nur insgesamt ein Monat jeweils an den Wochenenden ins Gefängnis musste, in einer Szene der nächsten Staffel von “Emily in Paris” verwendet wird. Auf meiner Reise war es das letzte Chanson auf der Setliste. Valerie’s back in jail again – Ironie des Schicksals?
Je m‘en fous pas mal, je suis ravie, ich freu mich.
Und nach dieser Reise bin ich noch mehr glühende Europäerin. L‘Europe au coeur.